13 April 2007

Exsila-Filmkritik - Fight Club

Written by Pavona, offizieller Exsila-Engel

Einstieg

1. Regel: Du sollst nicht über den Fight Club reden
2. Regel: Du sollst nicht über den Fight Club reden
3. ....

Nun, wir wollen keine Regeln brechen – tun wir auch nicht, denn schon in der Schule gabs zwei Noten für jeweils eine mündliche und eine schriftliche Ausdrucksweise. Eine Medaille und ihre Kehrseite eben - wir nutzen nun diese Kehrseite, um eine nicht eindeutige Regel des Fight Clubs zu unseren Gunsten auszulegen: Anstatt zu reden schreiben wir über den Fight Club. Schlussendlich geht’s immer um zwei Seiten: Die eine...und eben die andere! Auch dieser Film von David Fincher bedient sich dieser Thematik – und auch er beleuchtet die andere Seite!

Kritik

Jack (Edward Norton) steht, mit dem amerikanischen Durchschnitts-Meter gemessen, eigentlich auf der erfolgreichen Seite des Lebens: Gutbezahlter Job bei einer Autofirma, er kann sich seine Wohnung nach Lust und Laune mit IKEA-Möbeln ausstatten und er ist unabhängig. Trotzdem fühlt er sich einsam, ausgelaugt und unzufrieden, denn er leidet unter Schlafstörungen. Jack sucht die Lösung dieses vorerst oberflächlichen Problems in verschiedenen Selbsthilfegruppen und klinkt sich so unter falschem Vorwand bei den Hodenkrebserkrankten ein. Tatsächlich sind seine vorgetäuschten Selbsthilfe-Ausflüge vorerst vom Erfolg gekrönt, seine Schlafstörungen verschwinden – bis er Marla (Helena Bonham Carter) kennenlernt, die sich wie er als sogenannte „Touristin“ in die verschiedenen Gemeinschaften mogelt. Nun nimmt Jacks säuberlich „portioniertes Dasein“, wie er das Leben selbst bezeichnet, einen unkontrollierten Lauf: Während eines Geschäftsfluges lernt er den Seifenhersteller und skurilen Freidenker Tyler Durden (Brad Pitt) kennen. Bei diesem findet er auch Unterschlupf, denn dank eines Gasleckes wird seine Wohnung samt IKEA-Einrichtung in alle Windrichtungen zerstreut. Immer mehr verliert sich Jack in einem Strudel aus vorerst kontrollierbarer Gewalt im Fight Club, welchen er zusammen mit Tyler gegründet hat. Doch dann entgleitet ihm sein Leben zusehends! Fasziniert von Tylers anarchistischer Lebensweise, lebt er zunehmend die Kehrseite seines bravbürgerlichen Daseins und merkt nicht, dass sein Lebenswandel längst sämtliche vorstellbaren Dimensionen eines kleinbürgerlichen „Sesselfurzers“ gesprengt hat.

Wie auch in „The Game“ zeichnet David Fincher in „Fight Club“ ein Bild eines aus der Lethargie der modernen Gesellschaft gerissenen Menschen. Vorerst willig aus den oberflächlichen Strukturen unserer Konsumgesellschaft auszubrechen merkt er aber (zu spät?), dass er auch auf der „anderen Seite seiner Seele“ nur ein Sklave einer manipulierbaren und gleichgültigen Gesellschaft ist. Doch diesmal erliegt er nicht dem Duft des Geldes, sondern dem Lockruf der Gewalt. Losgelöst von hollywood-typischen Szenen zeigt uns Fincher ein gesellschaftskritisches Lehrstück, welches äusserst skuril und gewaltätigt daherkommt und in seiner Genialität Seinesgleichen sucht. So stehen sich mit den Selbsthilfegruppen und dem Fight Club zwei unterschiedliche Konstrukte gegenüber, die jeweils symbolisch als „Heilmittel“ für zwei total unterschiedliche Lebensweisen stehen: Heilung durch aufgesetzte Nächstenliebe in der „portionierten Welt der Ordnung“ und Heilung durch kontrollierbare Gewalt in der „anarchistischen Welt des Chaos“. Dabei versucht Fincher nicht zu moralisieren und so lässt auch sein dramatisches, absolut geniales und überraschendes Finale alle Fragen offen - er überlässt es lieber uns Zuschauern, eine für uns adäquate Antwort zu finden.

Die Darsteller sind ausnahmslos brilliant: Brad Pitt beweist als abgefahrener Seifenverkäufer Tyler Durden mit der Vorliebe für Gewalt und Schmerzen einmal mehr seine Qualität als hervorragender Schauspieler. Edward Norton ist sowieso eine Klasse für sich, sein zurückhaltendes, teilweise fast introvertiertes Schauspiel ist einfach beeindruckend. Auch Helena Bonham Carter als schräge Marla überzeugt auf der ganzen Linie und sogar Musiker Meat Loaf als hormongeschwängerter Bob mit riesigen Brüsten fällt in dieser Darstellerriege keinesfalls negativ auf.

Mit „Fight Club“ schafft David Fincher nach „Seven“ einmal mehr das Bild einer Gesellschaft, welche ungeschliffen und unbearbeitet einem Rohdiamanten aus Gewalt, Anarchie und verweifelter Hoffnung entspricht – das bearbeiten dieses Diamanten aber nicht unweigerlich zum gewünschten Resultat führt. Der Film ist unglaublich faszinierend inszeniert, seine brachiale Tiefgründigkeit verbirgt sich jedoch hinter viel Gewalt und Skurilität und ist daher sicher nicht jedermanns Geschmack. Die teilweise äusserst brutal in Szene gesetzten Prügeleien lösen nicht nur bei Zartbeseiteten eine „Leerschluck-Orgie“ aus. Wer sich auf diese gut zweistündige Achterbahn der Gefühle einlässt erlebt jedoch ein ungewöhnliches Filmerlebnis mit einem der genialsten Finale der Filmgeschichte - welches man jedoch nur erreichen wird, wenn man sich Regel 8 des Fight Clubs verinnerlicht: Wenn heute deine erste Nacht im Fight Club ist, dann musst Du kämpfen.

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