22 Januar 2008

Exsila-Filmkritik - Adams Äpfel

Written by Pavona, offizieller Exsila-Engel

Einstieg

Eine kleine Apfelkunde gefällig? Der Apfel ist die älteste vom Menschen kultivierte Frucht und findet Platz in vielen Sagen, z.B als Verjüngungsfrucht für Iduna, die Göttin der ewigen Jugend in der nordischen Mythologie. Gleichwohl, in menschlichen Gefilden fällt der Apfel von oben nach unten und dabei sprichwörtlich oft nicht weit vom Stamm. Dabei ist er nicht selten faul und wurmstichig, also nichts mit „göttlicher Speise“. Die bekannteste und gleichzeitig unwahrscheinlichste Apfelgeschichte ist jene von Adam und Eva, welche sich laut Bibel im Garten Eden zugetragen haben soll. Wir widmen uns aber der irdischen Erzählung von Adam und Ivan. Auch hier geht’s um einen Apfelbaum, aber auch um einen gewaltätigen Neonazi, verklärten Dorfpfarrer, kleptomanischen Triebtäter (oder getriebenen Kleptomanen?) und arabischen Terroristen. Das klingt alles politisch und gesellschaftlich sehr inkorrekt und geschmacklos? Das ist es auch, aber mit Herz, Hirn und einer gehörigen Portion Schwarzem Humor! Dieser Film ist eine wahre „dänische Delikatesse“!

Kritik


Adam ist überzeugter Neonazi, kahlrasiert wird er in die abgelegene Mission von Dorfpfarrer Ivan geschickt um sich zur „guten Seite“ bekehren zu lassen. Dort trifft er auf den 300-pfündigen Kleptomanen Gunnar und den zu Gewaltätigkeiten neigenden Araber Khalid, die sich unter der Obhut des verständnisvollen Ivan einem Resozialisierungsprogramm angeschlossen haben. Adams Integrationsprogramm besteht aus der Pflege des Apfelbaums im Kirchgarten sowie dem Backen eines Apfelkuchens – eine passende Aufgabe für einen bulligen Rechtsextremen. Bald schon gibt’s natürlich die ersten Konflikte zwischen dem destruktiven Adam und dem Gutmenschen Ivan. Der auf dem klassischen Schema „Gut gegen Böse“ aufbauende Konflikt entwickelt sich zu einem surreal anmutenden Kampf zwischen einem Adam, der die weltfremde Weltanschauung von Ivan nicht versteht und einem Ivan, welcher sich ständig vom Teufel herausgefordert fühlt und sich seine eigene himmlische Welt aufgebaut hat. Als dann auch noch die Alkoholikerin Sarah auftaucht, eskaliert das spannungsgeladene Gefüge und nimmt eine dramatische Wende.

Man darf bedenkenlos behaupten: Adams Äpfel ist eine kleine Filmperle! Der Film schafft das unglaubliche Kunststück sowohl politisch wie gesellschaftlich unkorrekt zu sein, im gleichen Atemzug aber auch tiefgründig, anklagend, herzlich und humorvoll. Nebst einem klugen Drehbuch von Regisseur Anders Thomas Jensen verdankt dies der Film vorallem einem hervorragenden Schauspieler-Ensemble, allen voran Ulrich Thomsen als Neonazi Adam und Mads Mikkelsen als Pfarrer Ivan. Es ist herrlich um nicht zu schreiben grandios, den ungläubigen Gesichtszügen von Adam zu frönen, wenn er wieder einmal mit der realitätsfremden Welt von Ivan konfrontiert wird. Die Weltanschauung von Ivan ist teilweise so abstrus naiv, dass wir ihm am liebsten selber gehörig die „Fresse polieren“ möchten. Diesen Part übernimmt jedoch der erstaunlich zurückhaltende Adam, aber wenn er die Fäuste fliegen lässt, kann man ein gewisses Verständnis für Adams Wutausbruch nicht wegleugnen. Der Film lebt denn auch von diesem paradoxen Spiel der Sympathien, dass man Verständnis für die Aktionen eines Rechtsextremen hat, welcher den Gutmenschen Ivan vermöbelt.
Es ist die Wandlung der beiden Hauptdarsteller im Laufe der Geschichte, welche dem Film neben dem hohen Spassfaktor eine glaubwürdige Tiefgründigkeit verleiht. An der Stelle, wo Adam Ivans heile Welt mit viel Freude zerstört und dieser an der Realität zu zerbrechen droht, erkennt Adam den Fehler seines Tuns - denn ohne die Überzeugung und Kraft von Ivan verlieren auch die anderen Missionsbewohner den Halt in ihrem Leben. Mit der Zerstörung von Ivans Lebenslüge durch Adam zieht dieser auch Gottes Zorn auf sich, diese Sequenz ist denn auch die einzige übersinnliche Einmischung in das Leben von Adam. Aber auch hier schafft es Regisseur Anders Thomas Jensen nicht kitschig oder unglaubwürdig zu werden. Dies deshalb, weil die Parabel zu der biblischen Erzählung mit dem brennenden Dornbusch eine reine Interpretations-Angelegenheit ist - man kann sich einfach nicht sicher sein, ob es nun eine Einmischung höherer Kräfte ist oder es einfach wieder mal Zeit war, dass ein Blitz in einen Apfelbaum einschlägt.

„Adams Äpfel“ ist ein spezieller Film mit viel Herz und einem ausgeprägten Sinn für skurrilen Humor. Der intelligente Plot weiss jederzeit die Sympathien der Zuschauer zu gewinnen, die Schauspieler sind mit wenigen Ausnahmen erstklassig! Wer gerne wieder mal eine europäische bzw. dänische Filmproduktion fern von hollywoodtypischem Gigantismus geniessen möchte, sollte diesen Film nicht verpassen. Ein Film für alle ExsilanerInnen, die gleichzeitig mit dem linken Auge weinen und dem rechten Auge lachen möchten.

Viel Spass beim Tauschen!

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